Sonntag, 4. März 2012

Yogis, Fakire & Feuerläufer


Wer hat nicht schon von den außergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten von Fakiren, Yogis, Swamis und anderen »Wundermännern« gehört? Bei weitem nicht alle sind Scharlatane und Jahrmarktsgaukler. Durch Meditation und andere Tranceübungen, durch besondere Atemtechniken und Yoga-Praktiken kann der Mensch lernen, auch seine normalerweise unbewussten Körperfunktionen aktiv zu steuern. Feuer-laufen, Spontanheilungen tiefer, offener Wunden, Schmerzlosigkeit, willkürlicher Herzstillstand, die Kontrolle des Atemzentrums und sogar der Gehirnwellen sind einige der unter Laborbedingungen nachgewiesenen Körperleistungen trainierter Meister.
Der US-amerikanische Bühnenzauberer Randy, ein Altmeister der Illusion, vertritt die Auffassung, dass Wissenschaftler gleich welcher Fachrichtung nur bedingt oder gar nicht dazu geeignet sind, Menschen mit angeblichen okkulten Fähigkeiten zu entlarven, weil Wissenschaftler nun einmal keine Experten auf dem Gebiet der Taschenspielerei, der Bühnenmagie, der Illusion seien. Er aber ist ein Experte, und die Zahl der Zeitgenossen mit angeblich übernatürlichem  Können, die er bisher über-führte, ist groß. Wo Uri Geller, der international als »Löffelbieger« bekannt gewordene israelische Gaukler, auftritt, der für sich mediale und paraphysische  Fähigkeiten  beansprucht, hat Randy Saalverbot. Gelingt es ihm doch, sich ins Publikum einzuschleichen, dann verweigert Geller seine Vorführungen.  Mehrere  Wissenschaftler  indes  hat  der geschickte Israeli erfolgreich übertölpelt.
Menschen, die aufgrund von Jahre- und jahrzehntelangem physischen und mentalen Training eine Körperbeherrschung erreicht haben, die weit über das normale Maß hinausreicht, kümmern sich im Allgemeinen weder um Bühnenscharlatane noch um Berufsmagier und meistens auch nicht um Wissenschaftler. Sie treten nicht an die Öffentlichkeit. Sie haben andere Ziele. Dass einige von ihnen in jüngster Zeit dennoch in der westlichen Welt bekannt wurden, ist einer generellen Öffnung vor allem US-amerikanischer Neurologen und Psychologen gegenüber mentalen Techniken zu verdanken. Eine Reihe von Yoga-Meistern, Sufis und anderen stellten sich für klinische Experimente zur Verfü-gung, nachdem sie von der Ernsthaftigkeit der westlichen Forscher überzeugt waren und in deren Motivation mehr als bloße wissenschaftliche Neugier erkannten.
Unmögliches mit der Kamera festgehalten
Eines der beeindruckendsten Experimente führte ein greiser Yoga-Lehrer aus dem Himalaya vor einigen Jahren einer europäischen Ärztegruppe in den entscheidenden Phasen vor laufender Fernsehkamera vor. Der alte Mann versetzte sich in tiefste Trance, ließ dann von Gehilfen seine Zunge weit aus dem Mund ziehen und senkrecht mit einem langen Metallstab durchbohren. Auf diese Weise blieb die Spitze des hochempfindlichen Muskels außerhalb des Mundes fixiert. Nun trennten die Helfer den durchbohrten vorderen Teil der Zunge mit einem scharfen Messer ab. Klinische Beobachter versicherten, dass ein Trick ausgeschlossen war, denn die deutlich sichtbaren Ränder des durchtrennten Muskels zeigten alle typischen Merkmale einer abgeschnittenen Zunge, einschließlich der charakteristischen Ausfransung. Irritierend war für sie aber, dass kein Blut floss. Unmittelbar nach dem für westliche Augen makaber wirkenden Vorgang fügte der alte Mann die abgetrennte Zungenspitze wieder an den Zungenteil in seinem Munde. Nach kurzer, aber sichtlicher mentaler Anstrengung löste sich der Greis aus seiner Trance und zeigte den umstehenden Wissenschaftlern und der Fernsehkamera seine wieder vollkommen intakte Zunge. Die Schnittverletzung war verheilt. Unleugbar war physisch scheinbar Unmögliches geschehen. Eine Erklärung dafür fanden weder die anwesenden Ärzte noch andere kritische Betrachter bei der späteren Auswertung des Filmmaterials.
Das gut dokumentierte Experiment gilt auch unter praktizierenden Yogis als schwierig, und sie bewundern den alten Meister. Andere Übungen ungewöhnlicher Körperkontrolle sind einfacher und lassen sich selbst von Nicht-Yogis nach relativ kurzem mentalen Training ausführen. Dazu gehört das Feuergehen, eine eindrucksvolle Technik, die bei vielen Stammesvölkern in aller Welt verbreitet war und zum Teil heute noch ist und die in neuerer Zeit zunehmend auch ganz »normale« Menschen in westlichen Ländern praktizieren. Die Begründung eines Kölner Büroangestellten: Ich werde mir dadurch bewusst, was der Geist wirklich über meinen Körper vermag. Der legendäre Hindu-Weise Vive-kananda hatte es so gefaßt: »Steht auf, ihr Löwen, und schüttelt die Täuschung ab, dass ihr Schafe seid; ihr seid nicht Materie. Ihr seid nicht Körper; die Materie ist euer Diener, ihr seid nicht die Diener der Materie!«
Kontrolle des Blutflusses
Wer das Gehen über glühende Kohlen für Scharlatanerie hält, wer es für völlig unmöglich erachtet, glühende Briketts mit bloßen Händen anzufassen, ohne Verbrennungen davonzutragen, der nehme an einem entsprechenden Seminar teil, wie sie seit Jahren immer wieder auch in mitteleuropäischen Ländern abgehalten werden. Er wird lernen, derart merkwürdige Fähigkeiten selbst zu entwickeln, verstandesmäßig begreifen wird er sein neues Können trotzdem nicht. Einfachere kleine Experimente lassen sich aber auch im Alltag durchführen. Wenn Sie sich einmal geringfügig verletzen, zum Beispiel eine kleinere blutende Hautabschürfung an der Hand haben, dann betrachten Sie eine Zeitlang die offene Wunde und konzentrieren sich fest darauf, dass das Blut aufhören möge zu fließen. Innerhalb kurzer Zeit wird sich der Erfolg dieser Autosuggestion einstellen. Sie können natürlich auch das Gegenteil erreichen, etwa wenn die Schürfwunde durch Erde verschmutzt ist: Nehmen Sie sich ganz fest vor, dass sie stark ausbluten solle. Mit einiger Übung werden Sie es schließlich schaffen, den Blutfluss willentlich einige Male nacheinander verändern zu können: stoppen, ausbluten, stoppen. Ich selbst bediene mich dieser relativ leichten Körperbeherrschungsübung gerne beim Klettern im Gebirge. Vor allem im karstigen Kalkgestein kommt es schon einmal zu einem kleinen Riss an den Fingern, und wenn ich ihn schnell wieder schließe, kommt beim Weiterklettern kein Schmutz hinein. Außerdem verheilt er wesentlich schneller. Besonders erfolgreich gelingt diese Kontrolle des Blutflusses, wenn man dabei entspannt gleichmäßig und ruhig atmet.
Die willentliche Steuerung des Blutkreislaufs gehört zu den einfacheren Praktiken der Beeinflussung der als autonom geltenden Körpersteuerung. Autonom heißt sie des-halb, weil ihre willentliche Kontrolle üblicherweise als nicht möglich gilt. Ein klassisches Experiment in Psychotherapie-Vorlesungen mancher Dozenten bedient sich eines langen Waagbalkens zum Beweis des Gegenteils. Eine Versuchsperson legt sich so längs auf den breiten Balken, dass dieser genau im Gleichgewicht ist und konzentriert sich dann intensiv darauf, dass das Blut vermehrt in die Füße strömt. Allein der Gedanke »meine Füße werden immer wärmer« bewirkt dasselbe. Nach kurzer Zeit sinkt der Waagbalken am Fußende nach unten. Durch den verstärkten Blutstrom sind die Fuße schwerer geworden.
Etwas anspruchsvoller als die großräumige Umverteilung des Blutes im Körper ist die willentliche Beeinflussung des Nervensystems. Doch auch auf diesem Gebiet gibt es einige einfache und zugleich sehr eindrucksvolle Übungen. Eine der originellsten hat ein US-amerikanischer Zahnarzt erdacht, der seine Patienten gern schmerzfrei unter Hypnose behandelt. Wenn Sie Kinder im Alter von etwa sechs bis zwölf Jahren haben, können Sie den Versuch gefahrlos selbst vornehmen. Kinder, vor allem intelligente Kinder, können ihren Körper leicht suggestiv beeinflussen, eine Fähigkeit, die der skeptische Erwachsene in unserem Kulturkreis im allgemeinen weitgehend verliert. Erklären Sie Ihrem Kind, wenn man es in die Hand kneife, dann würde ihm der Schmerz erst im Gehirn bewusst. Zwischen der Hand und dem Gehirn verlaufen den Schmerzreiz leitende Nerven. Dann fordern Sie das Kind auf, seine Augen zu schließen und sich bildhaft vorzustellen, in seinem Kopf sei eine Reihe farbiger Kontrolllämpchen und darunter eine Reihe dazugehöriger Schalter. Jedes der bunten Lämpchen sei für einen anderen Bereich zuständig, etwa das rote für den linken Fuß oder das grüne für den rechten Fuß. Für die Nervenbahnen der rechten Hand zum Gehirn sei das blaue Lämpchen da.
Den Schmerz ausschalten
Das Kind soll in Gedanken den Schalter unter diesem Lämpchen betätigen und sich vorstellen, wie das Lämpchen erlischt. Sobald ihm das gelungen ist, soll es mit dem Kopf nicken. Sagen Sie dem Kind, dass jetzt der Nervenstrom von der rechten Hand zum Gehirn unterbrochen ist. Beim Kneifen in die rechte Hand wird das Kind nur noch ein dumpfes Druckgefühl, aber keinen Schmerz mehr verspüren.
Vergessen Sie nicht, Ihr Kind das blaue Lämpchen später wieder einschalten zu lassen. Bei besonders sensiblen Menschen könnte sonst eine tage-, ja sogar wochenlange Lokalanästhesie die Folge sein. Der US-amerikanische international bekannte Hypnotherapeut und Hypnoselehrer Leslie M. LeCron praktizierte diesen Versuch erfolgreich mit seiner neunjährigen Tochter. Er berichtet dazu: »Danach ging sie hinaus, um zu spielen, kehrte aber kurz darauf mit zwei anderen Kindern zurück, mit denen sie befreundet war. >Sieh nur, Papa<, bemerkte sie triumphierend, >sie haben alle Schmerzen in ihren Händen abgeschaltet. Sie beide können es.<« Das gleiche Verfahren ist grundsätzlich natürlich auch bei Erwachsenen möglich, im allgemeinen aber etwas schwerer.
Autosuggestiv lässt sich neben dem Kreislauf und dem Nervensystem unter anderem auch der Muskeltonus im Körper beeinflussen. In einem selbstinduzierten hypnotischen Zustand gelingt es zum Beispiel, einen Arm stunden-lang ohne Ermüdungserscheinungen waagrecht in die Luft zu halten oder etwa den gesamten Körper in eine totenähnliche Starre zu versetzen.
Zeugen schon diese wenigen, relativ einfach auszuführenden Experimente davon, wie stark der Wille den Körper dominieren kann, so verwundert es nicht weiter, wenn Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg täglich stundenlang derartige Fähigkeiten trainieren, auf diesem Gebiet für den Laien Unbegreifliches leisten. Aufschlussreich war der Fall des Swami Rama, eines indischen Yoga-Meisters, der sich im Forschungsinstitut der Menninger Foundation in Topeka, Kansas, für ausgiebige physiologische und neurologische Tests zur Verfügung stellte. Eines der ersten Experimente, die der Swami dort mehreren Wissenschaftlern vorführte, bestand darin, das Herz für einige Minuten zum Stillstand zu bringen. In der Tat ließ sich kein Puls mehr fühlen. Das Elektrokardiogramm zeigte allerdings, dass das Herz während dieser Zeit nicht stillstand. Es schlug sogar wesentlich schneller; nämlich etwa dreihundertmal pro Minute. Jedoch sank zugleich seine Pumpleistung auf Null. Die Ärzte kennen diesen Zustand als sogenanntes Herzflimmern oder Herzflattern. Normalerweise tritt es nur bei schweren Schädigungen des Herzreizleitungssystems durch Herzschwäche, Vergiftungen, Stromunfälle, Schock oder Herzinfarkt auf. Bei dem sogenannten isolierten Vorhofflattern wird die Herzfunktion meist wenig gestört, das eigentliche Herzkammerflimmern aber führt üblicherweise wegen des Ausfalls des Blutumlaufes rasch zum Tode. Genau diese Art des Flimmerns führte der Swami willentlich herbei. Er nannte es eine recht einfache Übung und versicherte, dass es ihm keinesfalls gesundheitlich schaden würde.
 Als weitaus schwieriger bezeichnete er seine Fähigkeit, die Hauttemperatur der Hände in bestimmter Weise zu kontrollieren. Das erfordere, so meinte er, jahrelanges Training. In der Tat gelang es Swami Rama, nach intensiver Konzentration eine Temperaturdifferenz von zehn Grad zwischen zwei Punkten derselben Handfläche zu erzeugen, wobei der Daumenballen um fünf Grad wärmer wurde, während der Handteller um fünf Grad abkühlte. Die beiden Messpunkte waren etwa fünf Zentimeter voneinander entfernt; aber, so betonen die Mediziner, die entsprechenden Kontrollzentren im zentralen Nervensystem haben nur einen Abstand in Millimetergrößenordnung. Eine derartige willentliche Beherrschung dieses Nervensystems ist in der Tat beeindruckend.
Einfluss auf Hirnwellen nehmen
Eine andere Leistung, die Swami Rama unter Institutsbedingungen demonstrierte, ist das bewusste Erzeugen verschiedener Gehirnwellenfrequenzen. Per Definition unter- teilt man die mit dem Elektroenzephalographen gemessenen Hirnwellen in Delta- (null bis vier oder fünf Hertz), Theta- (vier oder fünf bis acht Hertz) und Alphawellen (acht bis dreizehn Hertz). Jede höhere Frequenz bezeichnet man als Beta. Normalerweise ist jeder Frequenzbereich für ein bestimmtes Hirnverhalten signifikant, etwa für Schlaf, Ruhe, geistige oder körperliche Arbeit, aber zum Beispiel auch für verschiedene Zustände von Geisteskrankheiten oder etwa körperliche Vergiftungserscheinungen. Der Swami vermochte allein bei ruhigem Sitzen wahlweise alle Hirnwellenarten hervorzurufen, was allerdings in manchen Fällen Konzentrationszeiten von über einer halben Stunde erforderte. Im Anschluss an ganze Messreihen dieser Art meinte er, der Elektroenzephalograph sei nicht subtil genug, um wirklich alle Zustände des Gehirns zeigen zu können. Er selbst sei in der Lage, viel differenziertere Muster zu erzeugen und zu empfinden, was auf den Apparaten nicht zum Ausdruck käme.
Die moderne medizinische Forschung experimentiert heute gern mit dem sogenannten Bio-Feedback. Unter Feedback versteht man in der Technik einen Prozess, bei dem ein Teil des Ausgangssignals eines Regelkreises gleich-oder gegenphasig zum Eingangssignal addiert wird. Entsprechende elektrische Schaltungen sind beispielsweise aus der Sender- und Empfängertechnik bekannt. Beim Bio-Feed-back macht man ähnliches mit dem »Regelkreis Mensch«. Angenommen, eine Versuchsperson bemühe sich, durch gezielte Meditation Blut in ihre Füße zu lenken. Im Normalfall hat sie dabei keine Erfolgskontrolle und weiß deshalb auch nicht, ob sie in der richtigen Weise, also möglichst effektiv, meditiert. Misst man aber fortwährend die Fußtemperatur und zeigt deren Steigen etwa durch ein leises Ticken an, dann weiß die meditierende Person sofort und jederzeit, ob sie gerade auf dem richtigen Weg ist oder nicht. Sie erhält also durch das Ticken eine Information im Sinne eines Feedbacks. Therapeuten haben auf diese Weise beachtliche Erfolge zum Beispiel bei der Behandlung vegetativer Dystönien, bei Bluthoch- oder niederdruck oder bei manchen Augenleiden erzielt. Swami Rama empfand die Überwachung seiner Körperbeherrschungsexperimente durch klinische Messgeräte sofort im Sinne eines solchen Bio-Feed-backs. Er selbst, so betonte er, habe dergleichen zwar nicht mehr nötig, aber für einen Yoga-Anfänger könnten sich diese Praktiken als überaus wertvolle Hilfsmittel erweisen. Er war fasziniert davon.
Spektakuläre Praktiken zu Schau gestellt
So beeindruckend die Leistungen des Swami aus medizinischer Sicht sein mögen, ihnen fehlt das Spektakuläre, ihnen fehlt jene Komponente, die das breite Laienpublikum sprachlos werden lässt. Genau derartige Praktiken üben zahlreiche Fakire aus. Der Begriff Fakir ist erläuterungsbedürftig. Das Wort kommt aus dem Arabischen und bedeutet nichts anderes als »Armer«, »Bettler«. In diesem Sinne bezeichnet es jene Gruppe von Fakiren, die ihre »übernatürlichen« Fähigkeiten zur Schau stellen, um damit zugleich um Almosen zu betteln. Ein Fakir im Sinne des ernsthaften Yogis ist dagegen ein Asket, der in der extremen Selbstbeherrschung, in der Ausschaltung von Schmerz und körperlichen Bedürfnissen, eine Überwindung der Materie und einen Sieg des Geistes oder der Seele im religiösen Sinne sieht. Auch solche Fakire üben zum Teil durchaus spektakuläre Praktiken, aber nicht, um damit die Öffentlichkeit zu beeindrucken, sondern um sich selbst zu beweisen, wie weit sie es gebracht haben. Zahlreiche unter ihnen lehnen jedoch jede auf äußere Effekte zielende Übung ab und beschränken sich auf innere Vorgänge.
Wie stark bei den »Schaufakiren« der Drang zum Aufsehenerregen ausgeprägt sein kann, lässt sich daraus ersehen, dass zum Beispiel manche indische »Touristen-Asketen«, die in der Nähe großer Tempel ihre »Künste« zeigen, sich eines wenig spirituellen Wegs bedienen. Um beim Liegen etwa auf einem Bett aus den Gliedern von Feigenkakteen keine allzu großen Schmerzen zu empfinden, nehmen sie zuvor »bhang« ein, ein aus der Hanfpflanze gewonnenes Narkotikum. »Echte« Fakire, die ihre asketischen Übungen fernab der breiten Öffentlichkeit in der Einsamkeit der Natur praktizieren, wären darüber entsetzt, und sie benötigen derlei auch nicht. Ihre phänomenale Körperbeherrschung macht sie darüber erhaben.
Tagelang nackt in Eis und Schnee
So leben nahe der Quellen des heiligen Flusses Ganges am Gangotri-Gletscher in weit über 4000 Metern Höhe im Himalaya jahrein jahraus Hindu-Asketen, sogenannte Sadhus (heilige Männer), die dort im Sommer wie im eisigen Winter ohne jegliche Kleidung auskommen und noch dazu täglich mehrmals im Schmelzwasser des Gletschers baden. Man begegnet solchen Asketen im Himalaya sogar in Höhen bis über 6000 Metern. Tagelang liegen sie auch dort noch nackt im Schnee und trotzen selbst schneidenden Stürmen. Die meisten sind religiöse Einsiedler, die Bußübungen ausführen, in der Meinung, damit himmlische Verdienste zu erlangen. Manche verschärfen diese Übungen immenser Körperwärmeproduktion noch dadurch, dass sie sich nachts große nasse Leinenlaken um den bloßen Körper wickeln und diese durch die eigene Wärme trocknen. Einige unter ihnen bringen es auf sechs oder mehr Laken pro Nacht.
Eugen Georg, ein Kenner des indischen Fakirtums, berichtete bereits 193 7 zusammenfassend über ungewöhnliche körperliche Leistungen dieser Asketen:
»Manche dieser Fakire bringen ihre ganze Lebenszeit in einem eisernen Käfig zu, andere behängen sich mit schweren Ketten, noch andere ballen die Fäuste zusammen und machen sie nie wieder auf, so dass ihnen die Nägel durch die Hände wachsen und auf der anderen Seite hervorstehen. Andere heben beide Arme in die Höhe, fassen einen Baumzweig und lassen sie so lange in dieser Stellung, bis sie unbeweglich stehenbleiben und so steif werden wie ein paar verdorrte Äste. Andere stehen die ganze Zeit auf nur einem Bein und lehnen sich höchstens des Nachts, um im Schlaf nicht umzufallen, an ein ausgespanntes Seil. Andere wieder drehen den Kopf beständig nach der einen Seite und behalten diese Stellung so lange, bis sie ihn nie wieder umdrehen können… Andere standen, und die herabhängenden Haare lagen um ihre Füße herum. Der ganze Körper war mit Kuhmist-Asche bestreut; noch andere lagen nackt auf einem Bett von Dornen oder hatten den ganzen Körper mit Erde bedeckt, bei einigen war dabei über dem Mund eine Öffnung gelassen, durch die sie um Almosen bettelten. Andere waren so ganz mit Erde bedeckt, dass man nicht einmal wahrnehmen konnte, wie sie Atem holten… Einige tanzten herum und hatten unter dem rechten Arm einen brennenden Docht, so groß und so geformt wie ein Zuckerhut, den sie von Zeit zu Zeit mit Öl tränkten… Einer steckte zwei Bambusstecken in die Erde und befestigte einen darüber in der Form eines Galgens, zwei Schlingen von Stricken waren daran befestigt. Unterhalb dieses Gal-gens war eine viereckige Grube, daneben zwei Haufen trockenen Holzes. Nun zündete er in der Grube ein Feuer an, …kletterte dann auf den Bambus, steckte die Füße in die Schlingen und hing nun mit dem Kopf gerade in die Flammen herab. Er schwenkte sich aber unaufhörlich hin und her, während er selbst mit immer zugeworfenem Holz, das er mit den Händen erreichen konnte, das Feuer unter-hielt. Nach einer halben Stunde kroch er an den Stricken in die Höhe, löste die Schlingen, stieg herab. So brachte er sein ganzes Leben zu…«
Stillstand des Herzens
Mit dem Geist der Yoga-Philosophie, die auf Gesundheit, auf körperliche, geistige und seelische Harmonie gerichtet ist, haben all diese asketischen Übungen freilich kaum etwas gemein. Yoga-Meister lehnen sie denn auch meistens ab, obgleich sie viele dieser Praktiken als »nicht besonders schwierig« einstufen. Ein Experiment, das jahrzehntelang trainierte Yogis gelegentlich vor westlichen Medizinern demonstrierten, um den hohen Grad von Körperbeherrschung darzulegen, ist die absolute Stilllegung ihres gesamten Verdauungsapparates vom Mund über den Magen bis zum Mastdarm; Pankreas, Leber und Galle mit eingeschlossen. Manche von ihnen nahmen extrem giftige Substanzen - wie Strichnin oder Zyankali - zu sich und schieden sie wenig später vollkommen unverändert wieder aus. Der in Europa weithin bekannte Yoga-Lehrer Selvarajan Yesudian, der in Prag und Zürich Schulen unterhielt und zahlreiche Fachpublikationen veröffentlichte, beschreibt einen besonders spektakulären Fall:
»Ich war Zeuge einiger staunenswerter, von Hatha-Yogis (der Hatha-Yoga ist gegenüber dem Raja-Yoga oder geistigen Yoga jene Disziplin, die sich vor allem mit der Körperbeherrschung befasst) ausgeführten Leistungen. Einer von ihnen gab vor berühmten Ärzten zwecks wissenschaftlicher Prüfung eine Vorführung. Drei Flaschen, Schwefelsäure, Salpetersäure und Karbolsäure enthaltend, standen auf einem kleinen Tisch. Um die Wirkung dieser Säuren zu zeigen, wurden zuerst von einem Arzt einige medizinische Experimente vorgenommen. Der Yogi nahm die erste Flasche in die Hand, goss einige Tropfen in die rechte Handfläche und leckte sie dann mit der Zunge auf. Das gleiche tat er mit den beiden anderen Giften. Während der darauffolgenden zehn Minuten vollführte er eine kraftvolle Folge von Dhautis, Uddiyanas und Naulis (reinigende Übungen), dann, unter Aufbietung einer ungeheuren Konzentration, entlud er die Säuren in seinem Urin. Eine medizinische Prüfung bewies die Anwesenheit der Säuren im Wasser, das seinen Körper verlassen hatte. Mein Meister erklärte diese Leistung wie folgt: >Durch Bewußtseinslenkungen unterband der Yogi die absorbierende Funktion seines Körpers und ließ so die gefährlichen Stoffe seinen Körper durchlaufen, indem er den ganzen Ablauf in einer begrenzten Zeitspanne zusammendrängte. Solche Experimente sind gefährlich und beanspruchen eine jahrelange Übung. Um solchen ganz besonderen Ansprüchen zu genügen, muss der Körper schon sehr entwickelt sein.< Die nächste Leistung war die Aufhebung der Atmung, verbunden mit einem volle fünf Minuten währenden Stillstand des Herzens. Kein Puls-schlag war fühlbar.
Begegnung mit dem Tod
Eine stethoskopische Untersuchung bewies, dass sich kein Betrug in die Vorführung eingeschlichen hatte. Das Manometer zeigte keinen Blutdruck. Die Hautfarbe war sehr blass, als ob alles Blut sich im Inneren des Körpers gesammelt hätte. Der Yogi hatte die Augen geschlossen und befand sich halb in Trancezustand. Genau nach fünf Minuten kehrte sein Bewusstsein zurück. Darauf wurden mit einem Messer verschiedene Schnitte in seinen rechten Deltamuskel (am oberen Oberarm) gemacht, und obwohl der Chirurg dies ohne vorherige Verabreichung von Betäubungsmitteln ausführte, wurde weder Schmerz verspürt, noch zeigte sich ein Tropfen Blut. Was darauf folgte, war noch interessanter. Die ziemlich tiefen Wunden zogen sich zusammen, bildeten noch nicht fünf Minuten später schon eine Narbe und waren geheilt. Man konnte sehen, wie der Yogi die Heilung durch einen hohen Grad von Konzentration bewirkte. Seine Körpertemperatur war auf 40 °C gestiegen, während die Wunden heilten. >Diese Fiebertemperatur wird vom Yogi aus zwei Gründen erzeugt/ erklärte mein Meister später, >der erste ist, Keime und Verunreinigungen zu vernichten, der zweite, eine schnelle Heilung der Schnittwunden zu ermöglichen^«
Ganz offensichtlich ist auch das Gegenteil dessen möglich, wovon Selvarajan Yesudian berichtet: das willentliche Öffnen mechanisch nicht erzeugter Wunden und deren heftiges Bluten. Bekannt ist dieses Phänomen als Stigmatisation im christlichen Kulturbereich. Besonders glaubensstarke Menschen haben es erreicht, durch ständig wiederholte jahrelange Konzentrationsübungen während der Karwoche die Kreuzigungswunden Christi an Händen, Füßen und in der Herzgegend mental an sich selbst zu erzeugen. Im unmittelbaren Zusammenhang mit demselben Glaubensinhalt steht eine spirituelle Körperbeherrschungspraxis, die heute in der Provinz Bulacan, etwa 80 Kilometer nördlich von Manila auf den Philippinen, von rund drei Dutzend Frauen ausgeübt wird. Begonnen hatte mit diesen Kulthandlungen Lucinda (»Lucy«) Santos-Reyes, die lokal auch als Wunderheilerin bekannt ist. Die Frauen lassen sich alljährlich am Karfreitag kreuzigen, einige von ihnen nach dem Vorbild Christi, wobei lange Nägel durch ihre Hände und Füße getrieben werden. Offenbar empfinden die Frauen dabei keinen Schmerz. Sie verfallen in eine anästhetische Ekstase und rollen dabei den Kopf beständig von einer Seite zur anderen. Blut fließt nicht aus den Wunden. Interessanterweise erreichte das Christentum den Stamm der Paombong, zu dem diese Frauen gehören, erst relativ spät. Viele Menschen in diesem Volke praktizierten zuvor Schamanismus, und sie haben diese Praxis in die ihnen neue Religion eingebracht. Besonders im Karfreitagsritual treffen sich beide geistigen Welten, denn es geht schließlich um die spirituelle Begegnung mit dem Tod.
100 Tage lang lebendig begraben
Eine andere Art, den eigenen Tod durch extreme Körperbeherrschung vorwegzunehmen, demonstrieren von Zeit zu Zeit besonders fortgeschrittene Yogis. Sie lassen sich lebendig begraben, und zwar nicht nur für einige Stunden oder Tage und auch nicht nur unter einer dünnen Schicht aus Sand oder Erde. Dazu noch einmal Selvarajan Yesudian: »Lebend begraben werden ist nur selten zu sehen. Die Stadt Madras war Zeuge, wie ein Yogi sich selbst für drei Wochen begraben ließ. Der Yogi versank in einen tiefen Trancezustand, während sein Atem immer langsamer wurde, bis er endlich vollkommen aussetzte. Das Klopfen seines Herzens hörte ebenfalls vollkommen auf. Der Körper wurde mit einer Art geschmolzenem Wachs bestrichen und, nachdem alle Körperöffnungen verstopft worden waren, damit kein Insekt eindringen könne, in dünnes Leinen eingewickelt. Der Körper befand sich in einem kataleptischen Zustand, er war steif und leblos. Er wurde in eine sargähnliche, längliche Kiste gelegt, die von innen mit Zink ausgelegt war. Die Kiste wurde hermetisch verschlossen und ungefähr sechs Fuß tief in die Erde versenkt. Die Grube wurde wieder mit Sand angefüllt. Treue Jünger des Yogis hielten Tag und Nacht Wache bei ihrem begrabenen Meister, während sie fromme Lieder sangen und heilige Silben wiederholten. Scharen von Menschen strömten herbei mit kleinen Opfergaben wie Blumen und Früchten, welche sich für einen Heiligen geziemen. In Anwesenheit von Tausenden von Zuschauern wurde am 21. Tag die Kiste wieder ausgegraben und der Deckel gehoben. Der Körper wurde nicht berührt, bis die Jünger das heilige Wort »OM« von den Lippen des Meisters hörten. Dies war das erste Zeichen des zurückkehrenden Lebens. Der Körper wurde in allen Teilen tüchtig massiert, hauptsächlich am Scheitel. Der Yogi öffnete allmählich die Augen und nahm langsam die Tausende von Menschen in seinen Blickkreis auf. Fromme Leute haben einen Gedenkstein in Erinnerung an den Yogi aufgestellt.«
Sie „lassen sich sterben“
Der bereits zitierte Eugen Georg beschrieb 1937 einen derartigen Yoga-Schlaf von genau 100 Tagen, der unter der Kontrolle von Medizinern und anderen Wissenschaftlern sowie Militärs stattfand: » ... Am hundertsten Tage erschienen die Brahmanen. Das Grab wurde geöffnet. Man nahm einen zusammengeschrumpften Leichnam heraus, der in seiner graugelben Färbung einen geradezu widerlichen Anblick bot. Er wurde behutsam auf ein weiches Kissen niedergelegt, und nun begann man in Gegenwart der von der Admiralität eingeladenen Offiziere, den Körper mit wohlriechendem Öl einzureihen. Jedem der Brahmanen war ein Teil des Körpers übertragen, so dass der ganze Körper vom Scheitel bis zu den Zehen zu gleicher Zeit abgerieben wurde. Nach Verlauf von sechs Stunden zeigte sich die Haut, die dem Aussehen und Anfühlen nach pergamentähnlich gewesen war, wieder ganz geschmeidig und zart. Alsdann öffnete einer der Brahmanen den Mund des Fakirs, indem er ein Elfenbeinstäbchen zwischen die Zähne steckte, und flößte dem Schlafenden ein herzanregendes Getränk ein. Die Abreibungen wurden fortgesetzt, aber erst nach 32 Stunden, in denen man unaufhörlich um den Körper beschäftigt war, begann dieser wieder zu atmen. Der Fakir erhob sich! Und wenige Minuten darauf vermochte er auch wieder zu sprechen…«
Georg kommentiert dieses und ähnliche Ereignisse: »Man hat die merkwürdigsten, man hat alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen angewendet, um bei diesen Yoga-Schlafversuchen alles auszuschalten, was Betrug, Schwindel, Täuschung Vorschub leisten, sie überhaupt möglich machen könnte. Man hat den Fakir - der sich sämtliche Körperöffnungen mit Wachs verstopft, den Schlund mit der hinten übergebogenen Zunge verschließt - in einen Leinwandsack gesteckt, den Sack zugenäht und versiegelt; ihn dann in eine Holzkiste gelegt, die Kiste nochmals verschlossen und versiegelt. Über die ausgemauerte Gruft, die die Holzkiste barg, wurden schwere, zwei und drei Meter lange Steinplatten gewälzt. Eine Wache wurde aufgestellt, die das Grab Tag und Nacht zu beaufsichtigen hatte. Über dem Grab selbst wurde Gerste gesät….und geerntet…«
Aus den Bergtälern des Himalayas dringen immer wieder Berichte von Mönchen oder auch Eremiten, die nicht nur vorübergehende Bekanntschaft mit dem Tod suchen, sondern freiwillig völlig aus der Welt scheiden, um im Nirvana aufzugehen. Sie betrachten ihr Ableben nicht als Selbstmord. Sie »lassen sich sterben«. Zuerst hören sie auf, ein bestimmtes Glied zu gebrauchen, etwa einen Arm oder ein Bein. Bewusst unterbinden sie nach und nach auch dessen Versorgung mit Blut, bis es schließlich grau und gefühllos wird, abstirbt und abfällt. Dann folgen die anderen Glieder, bis nur noch ein Torso übrigbleibt. Als letztes lassen sie auch diesen absterben.
Hoher Grad der Körperbeherrschung
Natürlich drängt sich die Frage auf, warum Menschen all diese merkwürdigen Dinge tun. Angesichts der schiitischen Märtyrer, die sich zum Todestag Alis, des von ihnen verehrten gemeuchelten vierten Kalifen (Nachfolger Mohammeds), zu Hunderten auf offener Straße bis aufs Blut auspeitschen, metallene Widerhaken durch Rücken und Brust bohren und sich oft sogar an diesen aufhängen, könnte man an eine Art masochistischer Massenhysterie denken. Es ist der fanatische Glaube, der die Männer diese Tortur durch-halten lässt, und es ist die Hoffnung auf religiöse Verdienste, auf einen Platz im Paradies. Ähnliche religiöse Beweggründe haben auch die Hindu-Fakire. Sie erhoffen sich die endgültige Erlösung aus einem tausendfachen Kreislauf von Wiedergeburten. Und bei den philippinischen Karfreitag-Märtyrerinnen verhält es sich kaum anders. Sie wollen Christus, sie wollen Gott selbst näherkommen, indem sie an sich geschehen lassen, was die Menschen ihm zufügten.
Sind sie alle Opfer eines gewaltigen Aberglaubens, eines Aberglaubens, der so stark ist, ihnen die Kraft für scheinbar Menschenunmögliches zu verleihen? Der Gedanke liegt nahe. Denn den Muslimen - auch den Schiiten - verbietet ihre heilige Schrift, der Koran, jede Form der Askese als Gotteslästerung. Den Körper, ein Geschenk des Schöpfers, soll der Mensch nicht quälen. Er soll ihn pflegen und dankbar für sein wunderbares Funktionieren sein. Und die östlichen Heilslehren des Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus und so weiter predigen in ihren alten heiligen Schriften zwar die Überwindung alles Materiellen, aber nicht in Form von dessen-Negierung, sondern von dessen Beherrschung durch Geist und Seele. Was aber sind die Grenzen dieses souveränen Beherrschens und wo beginnt kleinliche Selbstkasteiung? Die großen Heiligen und Weisen aller Religionen führten durchweg ein Leben in Anspruchslosigkeit. Aber keiner von ihnen quälte sich selbst, denn auch das zu tun bedeutet schließlich, sich zu sehr mit dem materiellen Aspekt des Menschen zu befassen, wenngleich auf negative Weise.
Zuweilen gibt es auch durchaus positive Gründe, den Körper zu ungewöhnlichen Leistungen zu zwingen. Einer davon heißt spirituelle Selbstheilung. Ein anderer heißt »Erledigen von Aufgaben, die noch getan werden müssen«. Er betrifft zahllose Menschen, denen es für eine begrenzte Zeit gelingt, den eigenen Tod hinauszuschieben, um sich vor dem Sterben einer selbstgestellten Pflicht zu entledigen. In Kriegsberichten finden sich immer wieder Protokolle über derartige Leistungen. So verzeichnen US-amerikanische Vietnam-Akten den Fall eines Piloten, der nach einem Beschuss seine Maschine mit offener Schädeldecke und stark verletztem Gehirn weiterflog, um das Flugzeug mit seiner Crew sicher im Bereich der eigenen Stellungen zu Boden zu bringen. Unmittelbar nach der Landung konnten die Ärzte nur noch seinen Tod diagnostizieren, und ihr Urteil lautete, daß er eigentlich sofort bei der Verletzung eingetreten sein müsse.
So unglaublich viele der hier berichteten geistig-körperlichen Leistungen erscheinen mögen, keine davon steht erstaunlicherweise im Widerspruch zu den bekannten physikalischen Naturgesetzen. Allenfalls zeitliche Abläufe werden gerafft oder gestreckt, etwa Pulsfrequenzen nach oben oder unten verändert, Heilungsprozesse drastisch beschleunigt, Blutflüsse verzögert oder völlig gestoppt. Eine ganz andere Kategorie speziell von Yogi-Leistungen umfasst aber angeblich Phänomene, die durchaus mit den Grundlagen des klassischen Physikverständnisses kollidieren. Sie liegen völlig im Bereich des Okkulten. Auffällig ist einerseits, dass sie einander zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erstaunlich ähneln, also wohl nicht reiner Phantasie entspringen. Andererseits sind für sie im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Phänomenen keine Experimente unter wissenschaftlicher Kontrolle bekannt. Dennoch sollen sie hier erwähnt werden, denn entsprechende Beschreibungen finden sich immer wieder in der Yoga-Literatur, in Reiseberichten aus entlegenen Himalaya-Bergtälern und allgemeinen esoterischen Schriften.
300 Jahre alte Yoga-Meister?
Behauptet wird unter anderem, manchen Yoga-Meistern gelänge die Entwicklung zum Übermenschen. Sie könnten nicht nur ihr Leben praktisch beliebig verlängern (im südindischen Kodaikanal-Gebiet soll es bis zu 300 Jahre alte Meister geben), sie würden auch die vier klassischen Elemente beherrschen: Feuer, Wasser, Erde und Luft. Sie seien in der Lage, in der Dunkelheit aus ihren Achselhöhlen ein Leuchten erstrahlen zu lassen, sie könnten über Wasser gehen und sogar durch die Luft fliegen. Sie könnten sich dematerialisieren und an einem beliebig entfernten Ort wieder körperlich in Erscheinung treten.
Die Himalaya-Kennerin Alexandra David-Neel beschreibt die »Lungompas«, bestimmte tibetische Asketen, die sich angeblich frei durch die Luft bewegen können. Sie selbst will miterlebt haben, wie sich ein Lungompa vom Boden erhob, einige Meter weiter wieder die Erde berührte, dort abfederte und weit entfernt erneut aufkam, um in mehreren solchen Sätzen unglaubliche Entfernungen zu überwinden. Er habe sich dabei über gefährliche Felsen und Gipfel bewegt, sogar ohne einem Fußweg zu folgen. Obwohl er jeden Schnelläufer bei weitem an Geschwindigkeit übertraf, hatte sie als Zuschauerin aufgrund seiner elastischen Sprungbewegungen den Eindruck eines langsam bewegten Gegenstandes. So selten diese Luftreisenden im tibetanischen Bergland auch sein mögen, die Autorin behauptet, dass jeder Tibeter einen Lungompa sofort als solchen erkennen und ihm augenblicklich ausweichen würde, um ihn in seinem Trancezustand nicht zu stören. Das könnte den sofortigen Tod verursachen. Hat ein Lungompa sein Ziel erreicht, berichtet David-Neel weiter, dann bindet er sich Gewichte an die Füße, wenn er seinen normalen Zustand wiedergefunden hat.
Physikalisch nicht zu erklären
Diese und andere Erzählungen physikalischer Unmöglichkeiten gehören gewiss in den Bereich der Fabel. Wo aber haben sie ihre Wurzeln? Warum tauchen sie in sehr ähnlicher Form immer wieder auf? In seinen Don-Juan-Büchern beschreibt Carlos Castaneda, wie sich der Indianer-Magier Don Genaro mit schlafwandlerischer Sicherheit ungeheuer behende über die steilen, glitschigen Klippen eines felsigen Wasserfalls bewegte. Sein Bericht erinnert durchaus an die Fortbewegungsweise der tibetanischen Lungompas. Erst wesentlich später erfährt Castaneda von seinem Lehrmeister Don Juan, dass es gar nicht Don Genaro selbst war, den er gesehen habe, sondern dessen »zweites Ich«, dessen »Geistkörper«.
Die physikalisch nicht erklärlichen Leistungen von Yogis und anderen spirituell hochgradig trainierten Menschen liegen - wenn es sie denn gibt - mit Sicherheit außerhalb des körperlichen, des materiellen Bereichs. Sie entstammen den Trance-Erfahrungen, den mystischen Reisen von Schamanen, die in ihrer »anderen Wirklichkeit« ebenfalls fliegen, über Wasser gehen und sich sogar innerhalb der Erde fortbewegen können, und all das als Realität empfinden. Erzählen sie ihren mit physikalischem Denken nicht vertrauten Mitmenschen von solchen Erlebnissen, dann werden diese sie für Fakten halten. Sehr wahrscheinlich sind hier die Wurzeln der Berichte von Übermenschen zu suchen.
(Quelle: Felix R. Paturi/Phänomene des Übersinnlichen)


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